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Die Hachse, Teil 8

Radikale Lateraldenker werden es kennen: Die Freude am Denken verebbt, wenn man bemerkt, dass man mit seiner spielerischen Herangehensweise und der systemlosen Nonkonformität niemals zu einem Ziel kommt, welches ja auch gar nicht angestrebt wurde. Eine Flut muss her, doch wo nehmen, wenn nicht stehlen? In der eigenen kleinen, paradiesischen Welt ist kein Mond, der die Gezeiten lenkt. Da ist kein Wetter, weil da kein Klima ist. Es regnet nicht, es stürmt niemals, Sonnenlicht schafft es nur sehr zaghaft und unschädlich durch die dicke Wasserdampfatmosphäre. Diffuse Nächte mit nicht zu erkennenden Sterne und halbhelle Tage, die alles so viel angenehmer machen. In dieser Welt ist die Achse gerade und nicht geneigt. Vertikale Strukturen gibt es nicht. Da ist nur das lineare Muster, dass eigentlich keines ist. Alles ist größer und schöner, keine Jahreszeiten bieten ein moderat tropisches Wetter und einen ungehinderten Wuchs für alles Lebende. So ist man auch größer und dennoch kleiner als jeder Farn um einen herum. Der doppelt so hohe Atmosphärendruck macht es möglich, auch so fast trivial anmutende Dinge wie eine immens höhere Lebenserwartung ohne Krankheiten und Übel. Wenn Degeneration ein Fremdwort war, dann in diesen "Tagen". Wer braucht eine evolutionistische Denke, wenn um einen ein solcher Garten Eden vorherrscht, nein, vorhanden ist?
Wer braucht ein Ende dieser Geschichte? Der konvergente Denker mit seiner unumstößlichen Logik? Oder ist es mein Ego, das mich in diese Richtung treibt und die kleine Hachsen-Erzählung kurz und schmerzlos, ohne ein Gefühl für Empathie und ohne, durch Beschreibungen der Umstände, entstehende Bilder es zu Ende zu bringen? Schriften von Schreibern haben oft Absätze, die dem Leser der Zeilen manchmal erkennen lässt, dass das offensichtlich schriftschreibende Etwas treibend ist zwischen diesen reziprokenen Denkapparaten. Nur den Edelsten gelingt die Symbiose. Und ich gehöre nicht zu diesen Figuren, die so tun als ob sie es könnten. Was nicht vereinbar ist, das muss nicht zwangsverheiratet werden.

So schön mir das Sprechen bis hierhin gefiel, die detaillierten Auswüchse enden mit dem Eingang zu diesem Nebenraum. Nicht weil Eden auf der Schwelle dorthin endete und Sodom und Gomorra anfing. Nicht weil Dinge dort sich ereigneten, von denen niemand jemals etwas lesen sollte. Da ist kein Geheimnis und da ist auch nichts, was man hervorheben müsste. Da war nur ein Mensch, der seinen 30. Geburtstag mit Freunden und Familie feierte, alle vereint in einem rustikalen eingerichteten Sauftempel. Jeder war glücklich mit sich und mit allem, vor allem aber mit dem Essen und den Getränken. Hier bedingte das eine das andere. Wer üppig speist, der hat auch ordentlich Durst. Nicht jeder ging zwar nach diesem Prinzip vor, denn nicht für jeden gab es beide Freuden zu genießen. Einfache Hausmannskost und/oder festtägliche "Frauenküche" sind nur des ungesunden Mischköstlers Wonne. Der Gegenteilmensch, der Fleischlose, übt sich im Verzicht und in der Beobachterrolle. Pommes mit Ketchup und Senf bringt jedes Wirtshaus hin. Man sollte sich dabei allerdings im Klaren sein, dass ein solches "Mahl" in den allermeisten Fällen sogar vegan ist. Als Beilage empfiehlt sich, als Dursttreiber, kein Salat mit Essig und Öl, sondern der griffbereite Salzstreuer sowie die Pfeffermühle zum ordentlichen Nachwürzen. Unter solchen Gegebenheiten presst man sich dann liebend gerne zwei Halbe (Bier / fränkisch: Seidla) vom Fass in und aus dem Steinkrug rein - völlig frei, ob es mundet oder nicht und unbekümmert der Nachwirkungen (schwerer Kopf) wegen. Als Spülwasser dient alles, was trinkbar ist durchaus helfend. Und noch ehe die Mitternacht über der Stadt Einzug hält, findet man sich schon wieder dort, wo man ursprünglich hergekommen war, denn wenn es ein ungeschriebenes Gesetz in der Gastronomie der Wirtsstuben gibt, dann ist es das des frühen Zapfenstreichs. Mit dem letzten Ausschank wird das Fass ausgepresst. Kein Wunder, dass man dieser Restbrühe nichts Gutes nachsagt. Oh ja, das letzte Bier ist "meistens immer" schlecht.  

Nun war ich ergo daheim und erinnerte mich an zwei Dinge. A) ... war es offenbar nicht erlaubt in diese alteingesessene Braustube Hunde mitzubringen. Die Gesellschaftssymbiose ("Wirtshaus = Ort, wo Hunde zusehen, wie Menschen sich besaufen") endete wohl schon vor der Durchreiche. Doch weil das Geburtstagskind (eigentlich der "Geburtstagserwachsene") Stammgast war, der Hund (und sein Halter) obendrein nett und die Bedienung äußerst zuvorkommend sich erwies, wurde an diesem Abend mal eine Ausnahme gemacht. Und was noch gastfreundlicher sich auswirkte: Am Ende der Gelagezeit gab es überdies noch eine, gar erstaunliche, überraschende Belohnung. Leider nicht für mich - die adrette Blondinen-Servierkraft hatte bereits Anderweitiges vor -, sondern für die mitgebrachte vierbeinige Blondine mit beigen und gelblichen Teint. Das Präsent erinnerte mich spätestens zu Hause nochmalig an ein zweites Fragment - B) ... die Hachse.
Ich führte dieses Objekt über eine Stunde mit mir herum, Gassi sozusagen, gut verwahrt in der Innentasche meiner braunen Funktionsjacke. Mit jenem Geschenkstück war der Heimweg kein nasal genüsslicher. Am Knochenüberrest, stehend für die traditionelle Bauernküche, klebten die geruchsintensiven Fasern des Todfleisches dran, unerbittlich, undefiniert, unsortiert, untrennbar. Die lose Ummantelung mittels Aluminiumfolie half in mehrerlei Hinsicht. Meine Jacke blieb sauber, und dennoch blieb eines niemals unbemerkt: der beißende Geruch, subjektiv für mich absolut grenzwertig.

Da stand ich nun, im kleinen Flur in meinem gemieteten Zuhause auf unbefristete Zeit. Der Kleiderhaken hinter der Eingangstür wollte bedient werden. Mit dem anhaltend bestialischem Geruch hielt ich jedoch Abstand davon. Ich dachte mir so, ich täte wohl anders, wäre da noch diese ansehnliche Kellnerin mit mir im Raum. Dann wäre die offensichtliche Folge mit Sicherheit eine andere Art von Symbiose gewesen, eine animalisch anmutende. So aber würde heute die Jacke keinen Einzug in jenem Flur finden, der Hausgang außerhalb meiner Wohnung sollte ihre genügsame Schlafstätte werden. Die Hachse (Haxe / fränkisch: Knöchla) sollte allerdings keineswegs dort aufbewahrt werden. Die Begierde meiner Mitbewohnerin war zu groß danach. Sie wollte es haben, dieses (- Achtung: hochdeutsch -) Eisbein. "Schwein ist nix für Hunde" wollte ich sagen, zuckte jedoch nur mit den Schultern [mit dem "Schäuferla"*?] ohne zu mucken und überließ ihr besagtes Tierbein.

Man sagt Retrievern, speziell den Labrador Retrievern, ja nach, dass sie kein Sättigungsgefühl hätten. Sie würden also futtern und futtern und futtern - ohne Unterlass. Ich kann nach jener Nacht bezeugen, dass dies keinesfalls immer so ist. Es muss einfach ein derbes Vorurteil sein, beschämend für alle Angehörigen der Rasse. Nun ja, vielleicht nicht für alle. Aber bestimmt für die stets hungrige Adelhaid. Wie ich darauf komme ist mit einem Satz erklärt: Adelhaid schlief während des Kauens am Knochen, und über dieses ("Gerät" von) Teil, ein. Die Hachse hatte gesiegt. Und damit ist die Geschichte eigentlich zu Ende. Tatsächlich fehlt da nur noch eine klassische Endung, die ich auch unbedingt mal schreiben/sagen wollte:

"Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."

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* Schäuferla, fränk.: lederartiges, tellerförmiges Stück einer Schweineschulter.
      
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