Keine Zunge schildert, kein Wort ermißt die Höhe der Vollendung, die er erreichte [...].*¹
Spätestens seit Ebner von Eschenbachs Novelle "Krambambuli" wurde uns ein ganz klares Bild ins unbewusste Innere eingebrannt: Die naturentfernte Gesellschaftssymbiose "Wirtshaus = Alkohol und Hund". Vulgärer, und vielleicht mehr auf den Punkt gebracht, kann man es auch so definieren: Wirtshaus = Ort, wo Hunde zusehen, wie Menschen sich besaufen. Raus aus dem Haus kommt jeder, aber raus kommt dabei meist nichts Vernünftiges. Doch wo eine Symbiose herrscht, wie weltfremd sie auch immer erscheinen mag, dort ist auch Vorteilsnahme zu vermuten.
In der irrigen Annahme, dass jeder ein Uns ist, das heißt, wir alle kennen die - anhand einer wahren Begebenheit ausgeschmückte und niedergeschriebene - Erzählung von "EvE" - wohlgemerkt als Schrift, nicht in einer abgewandelten und mitunter arg verfälschten Filmform -, machte ich mich auf den langen Weg zu so einem Sauftempel im Herzen der Sieben-Hügel-Stadt. Jawohl, Mitten ins Herz! Und wenn ich mir eine Stadt in Menschengestalt vorstelle (Stichwort: im Herzen), mit versprachlichten Bildern (gemeint: Metaphern), so ist es stets einträglich, wenn ich mir nicht nur einen Teil des Gesamtkonstrukts vor Augen führe, sondern das große Ganze (vor meinen inneren Auge) ablichte. Im Fall Bamberg verhält sich so ein (visueller) Vergleich sogar überaus einfach. Historisch ist das Gebiet des ursprünglichen Ballungsraumes in drei Bezirke gegliedert: Berg-, Bürger- und Gärtnerstadt*². Da in der Frühgeschichte alles um den Bamberger Kaiserdom beseelt war von ausschließlich vergeistigten Glaubensleuten ("Staatskirche"), kann man hier den Kopf eines menschlichen Körpers erahnen. Der Hals, die Schlagader, trennt noch heute das Haupt vom Leib. Ins symbolische Bild gebracht handelt es sich hierbei um die grüne, zweigeteilte Lebensader. Bewegt man sich zwischen dem linken und dem rechten Regnitzarm, so ist man am "Puls der Zeit", auf einer Art Inselgebiet, einst bevölkert vom (gehobenen) Bürgertum. Alles "darunter" gehörte den einfachen "Erzeugnisproduzenten", die den Kopf und den Hals (und am Schluss auch sich selbst) ernährten. Genau dort, und nicht woanders, ist auch heute noch das Herz der Stadt zu finden! Beim "kleinen Mann" oder zusammengefasst: beim Volk.
Wie der alte Jäger Hopp mit Krambambuli sich verständigen konnte, so gelingt mir das auch durchaus erfolgsversprechend mit Adelhaid. Am Anfang unserer kleinen Reise erzählte ich ihr meine Empfindungen auf eine äußerst plakative Art, die auch jeder Nicht-Bamberger verstehen würde. Aus meinen Erinnerung und stark verkürzt ging das ungefähr so: "Wir gehen nun von unseren Sphären hinab zum vorgegaukelten Himmel, folgen den Pfaden der Hölle, um Einzutreten in das wahre Leben!"
Mit ungefähr diesen und noch viel mehr hinweisenden Worten der Ermahnung bereitete ich sie, Adelhaid, innerlich auf ihren/unseren Erlebnisabend vor; nun ja, zumindest unternahm ich den Versuch, um mir damit ein gutes Gefühl einzuverleiben, vielmehr: vorzugaukeln. Denn jenes saubere Gewissen verhält sich ungefähr so wie wenn sich jemand Wasser aus dem Fluss holt, später ins Gewässer hineinpinkelt und der Überzeugung ist, es würde nichts schaden, weil der austretende Harn seiner Miktion ohnehin hinfort gespült wird. Die erweiterte Form eines solch kleingeistigen Ideologisten scheißt in aller Frühe in einem Bach und meint am Abend keine Verschmutzung von seiner Morgentoilette bewirkt zu haben. Freude pfeifend verfährt er so Jahr um Tag. Der Bach - vielleicht ohne Abfluss - dient als Abort und gleichzeitig als Trinkwasserbasseng. Irgendwann, früher oder später, wird er sich fragen und wundern ob seiner plagenden körperlichen Beschwerden, in welcher Art und in welchem Umfang sie auch in Erscheinung treten werden.
An dieser Stelle zügele ich meine Stimme, denn niemand will Worte lesen, die meinen monologen Erguss an Adelhaid zu jener Zeit umreisend ausführen. Wer Gleiches in der Art dennoch hören will, der folge den Rufen von anthropophoben Misanthropen - die finden mit Sicherheit treffende Formulierungen.
Auch ohne Google Maps war ich gut auf die Strecke vorbereitet. Ich wählte den idyllischen Pfad über das Im Sücklein, den Sauersberg, querfeldein auf Streuobstwiesen, zwischen Apfel- und Zwetschgenbäumen hindurch auf einem Weg ohne Namen, der uns führte auf eine Straße, die ihrem Namen noch heute alle Ehre macht - auf die Panzerleite*³. Zur Rechten Die Krött, zur Linken die vielen Treppen hoch Auf dem Lerchenbühl, die Artur-Landgraf-Straße kreuzend, die Dorotheenstraße links liegen lassend, immer weiter nach unten. Am Ende der Leite trifft man auf ein Kreuz ganz vieler Straßen, Wege und Gassen; nachfolgend deren Namen: Altenburger Straße, Ziegelgasse, Sutte, Maternstraße und Am Knöcklein. Alle interessierten mich nicht, weil da war noch ein Weg, ein für den PKW-Verkehr gesperrter Durchgang, welcher hieß: Im Domgrund.
So weit so gut, und soweit auch aus dem Kopf. Will ich hier fortfahren, muss ich mir meine Stadtkarte suchend zur Hilfe holen. Ich weiß wo sie ist, und sie wird mir bestimmt auf die Sprünge helfen. Was ich aus der Erinnerung allemal noch weiß, und was für den Leser sicherlich interessant (und vielleicht auch wichtig) sein könnte: Bis zu diesem "Grund am Dom" waren und sind es (nach wie vor) 65 Höhenmeter Unterschied. Fünfundsechzig! Die Quersumme wäre mir eindeutig lieber gewesen.
___
*¹ Tonquelle: https://youtu.be/xWKIAaCR-fw?t=340
*² Zweidlerplan: https://youtu.be/ygRKx64JCl0?t=308
*³ Eine Leite = ein Hang; dessen früherer Besitzer hieß Panzer mit Nachnamen.
Spätestens seit Ebner von Eschenbachs Novelle "Krambambuli" wurde uns ein ganz klares Bild ins unbewusste Innere eingebrannt: Die naturentfernte Gesellschaftssymbiose "Wirtshaus = Alkohol und Hund". Vulgärer, und vielleicht mehr auf den Punkt gebracht, kann man es auch so definieren: Wirtshaus = Ort, wo Hunde zusehen, wie Menschen sich besaufen. Raus aus dem Haus kommt jeder, aber raus kommt dabei meist nichts Vernünftiges. Doch wo eine Symbiose herrscht, wie weltfremd sie auch immer erscheinen mag, dort ist auch Vorteilsnahme zu vermuten.
Sawrey Gilpin (Quelle: wikimedia.org) |
Wie der alte Jäger Hopp mit Krambambuli sich verständigen konnte, so gelingt mir das auch durchaus erfolgsversprechend mit Adelhaid. Am Anfang unserer kleinen Reise erzählte ich ihr meine Empfindungen auf eine äußerst plakative Art, die auch jeder Nicht-Bamberger verstehen würde. Aus meinen Erinnerung und stark verkürzt ging das ungefähr so: "Wir gehen nun von unseren Sphären hinab zum vorgegaukelten Himmel, folgen den Pfaden der Hölle, um Einzutreten in das wahre Leben!"
Mit ungefähr diesen und noch viel mehr hinweisenden Worten der Ermahnung bereitete ich sie, Adelhaid, innerlich auf ihren/unseren Erlebnisabend vor; nun ja, zumindest unternahm ich den Versuch, um mir damit ein gutes Gefühl einzuverleiben, vielmehr: vorzugaukeln. Denn jenes saubere Gewissen verhält sich ungefähr so wie wenn sich jemand Wasser aus dem Fluss holt, später ins Gewässer hineinpinkelt und der Überzeugung ist, es würde nichts schaden, weil der austretende Harn seiner Miktion ohnehin hinfort gespült wird. Die erweiterte Form eines solch kleingeistigen Ideologisten scheißt in aller Frühe in einem Bach und meint am Abend keine Verschmutzung von seiner Morgentoilette bewirkt zu haben. Freude pfeifend verfährt er so Jahr um Tag. Der Bach - vielleicht ohne Abfluss - dient als Abort und gleichzeitig als Trinkwasserbasseng. Irgendwann, früher oder später, wird er sich fragen und wundern ob seiner plagenden körperlichen Beschwerden, in welcher Art und in welchem Umfang sie auch in Erscheinung treten werden.
An dieser Stelle zügele ich meine Stimme, denn niemand will Worte lesen, die meinen monologen Erguss an Adelhaid zu jener Zeit umreisend ausführen. Wer Gleiches in der Art dennoch hören will, der folge den Rufen von anthropophoben Misanthropen - die finden mit Sicherheit treffende Formulierungen.
Auch ohne Google Maps war ich gut auf die Strecke vorbereitet. Ich wählte den idyllischen Pfad über das Im Sücklein, den Sauersberg, querfeldein auf Streuobstwiesen, zwischen Apfel- und Zwetschgenbäumen hindurch auf einem Weg ohne Namen, der uns führte auf eine Straße, die ihrem Namen noch heute alle Ehre macht - auf die Panzerleite*³. Zur Rechten Die Krött, zur Linken die vielen Treppen hoch Auf dem Lerchenbühl, die Artur-Landgraf-Straße kreuzend, die Dorotheenstraße links liegen lassend, immer weiter nach unten. Am Ende der Leite trifft man auf ein Kreuz ganz vieler Straßen, Wege und Gassen; nachfolgend deren Namen: Altenburger Straße, Ziegelgasse, Sutte, Maternstraße und Am Knöcklein. Alle interessierten mich nicht, weil da war noch ein Weg, ein für den PKW-Verkehr gesperrter Durchgang, welcher hieß: Im Domgrund.
So weit so gut, und soweit auch aus dem Kopf. Will ich hier fortfahren, muss ich mir meine Stadtkarte suchend zur Hilfe holen. Ich weiß wo sie ist, und sie wird mir bestimmt auf die Sprünge helfen. Was ich aus der Erinnerung allemal noch weiß, und was für den Leser sicherlich interessant (und vielleicht auch wichtig) sein könnte: Bis zu diesem "Grund am Dom" waren und sind es (nach wie vor) 65 Höhenmeter Unterschied. Fünfundsechzig! Die Quersumme wäre mir eindeutig lieber gewesen.
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*¹ Tonquelle: https://youtu.be/xWKIAaCR-fw?t=340
*² Zweidlerplan: https://youtu.be/ygRKx64JCl0?t=308
*³ Eine Leite = ein Hang; dessen früherer Besitzer hieß Panzer mit Nachnamen.