(-;-) GzN

(-;-) aufgenommen via Integrated Circuit Recorder & zeitverzögert vertextet

Vom Mädesüß und Himbeerstrauch, Teil 3

Es gibt das Klischee, dass die arbeitenden Bevölkerung - malochend in einer Wohlstands-5-Tages-Woche -, dazu neigt, den Montag nach einem ereignisreichen oder eher ausgefüllten Wochenende zu verdammen. Pfeifend schleicht sich der in Lohn/Gehalt und Brot stehende Unselbstständige mit dem Liedlein "Tell me why I don't like Mondays" zum Ort des Schaffens, was auch immer er schafft und welchem Klischee er sich dabei auch immer bedient, es ist das kitschigste aller, das überhaupt nichts mit Kunst - mit Lebenskunst! - zu tun hat. Kundera (-, Milan -) schrieb zum Kitsch mal, das er - der Kitsch - die absolute Vereinigung der Scheiße ist, im wörtlichen, wie im übertragenen Sinne. Er benennt im Zusammenhang die Verkennung des ursprünglichen Wortsinns, wonach der Begriff Kitsch in seiner metaphysischen Bedeutung verwischt wurde. Den Wortlaut bekomme ich auswendig nicht hin, aber es stammt aus seinem - meiner "Meinung" nach - besten Werk, dem einzige, das ich auch kenne: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins*.
[* Carl Hanser Verlag, 1984. Buch-Nr. 100106, Seite 326 ff.] 

Zurück zum Klischee und zu dieser Bedeutungsverwischung jenes abstrusen Songs von Bob Geldof. Ich habe dazu nur eine Ansicht, die sich so äußert, dass sich meine Stirn runzelt und die Augenbrauen dadurch nach oben gehen, wenn ich Leute es mitsingen höre und deren Versuch in rhythmischen Tanz dazu beobachte. Weitere Äußerungen erspare ich mir, haben sie doch nichts mit meiner Erzählung zu tun, deren weitere Eindrücke sich ohne einen Zufall an einem Montagmorgen fortsetzten. Hier liegt tatsächlich kein Zufall vor, weil auch ich nach Schemen lebe. Es langweilt mich zwar davon zu erzählen, es muss aber Erwähnung finden, will ich doch die "Unzufälligkeit" (des Seins) erläutern, nein: ich muss sogar derart vorgehen. So denn - Hosen runter: Ich gestehe! Seit nahezu 6 Jahren verhält es sich so, dass ich in Arbeitswochen am Morgen meinen Hundespaziergang zu ungefähr gleicher Zeit beginne und in den meisten Fällen die gleichen Wege einschlage. So geht es noch vor dem Sonnenaufgang immer gen Norden, am Spätnachmittag (oder Abend) in die entgegengesetzte Richtung, genauer gesagt nach Südwesten. Wenn ich ehrlich mit mir bin, ist das sogar schon seit nun mehr 17 Jahren so. Aber ersparen wir uns die Details, denn auch ohne solche sollte klar sein, dass ich mit dieser Vorgehensweise meist die gleichen Wege laufe (, was ich sowieso schon klarstellte). Ich weiß auch gar nicht, ob es ferner und überhaupt erwähnenswert ist, denn liest man nämlich meine gesprochenen Worte in einem Guss durch, so erschließt sich diese Erkenntnis womöglich sowieso. Die Leserschaft ist hier im klaren Vorteil, a) weil ich meine Sprach-zu-Text-Sachen nur einmalig gegenlese und b) weil ich sie unmittelbar danach auch wieder vergesse. Mir reichen die Gefühle, die ich während des Schaffens manifestierte, für mich, versteht sich. Die Bilder sind sowieso in mir eingebrannt und erlöschen wohl erst dann wenn meine neuralen Muster mitsamt meinem Leibfeld vergehen, und selbst das schließe ich aus.

Ich will ehrlich sein. Ich kann heute nicht klaren Verstandes sprechen, daher auch der zweimalige Versuch vom ursprünglichen Thema abzulenken, auf das ich - wohl im gesamten bisherigen Text - noch gar nicht eingegangen bin. Ich verweigere mich anders vorzugehen. Die vegane Margarine nimmt mir niemand vom Biovollkornbrot. Vielleicht ist das obendrein auch ein unerträgliches Markenzeichen, ein Spleen, von mir - Kitsch der anderen Art, vielleicht...?
Leider ist dem wohl nicht so. Ich will es daher als eine Art Zwischenspiel betrachten, genauso wie ich just in die kalte Nacht am offenen Fenster hinausblicke. Während ich für mich alle von außen aufkommenden Empfindungen als Gegeben hinnehme, so vernehme ich auch die schlafende Adelhaid. Sie liegt in Rückenlage in ihrem Weidenkörbchen, den Halbschlaf einer Gerechten nachkommend, die Nacht mit ihrer Traumwelt erwartend, die das ganze Dasein erträglich zu machen scheint, findet doch ein solcher Traum niemals im Hier & Jetzt statt. Sie ist der beste Hund aller Zeit; dass muss ich nicht nur sagen, weil sie bei und mit mir ist, sondern weil es für mich einfach auch so ist und ich es ohnehin täglich wie ein Mantra in ihr Öhrchen flüstere, sogar mehrmals am Tag. Es ist das Ehrlichste, was ich zu sagen mir getraue. Ich sage es nicht zu einem Menschen, weil es da keinen gibt, dem ich es sagen könnte, nicht einmal mein eigenes Selbst taugt dafür. Menschen sind in dieser Hinsicht nicht stringent. Heute kann ich der beste Mensch sein, morgen sieht es ganz anders aus. Es existiert keine solide Grundlage, zu schwammig ist das Sein. Es ist, so betrachtet, Kitsch - eine gänzliche Verneinung der Scheiße, die vereinigt wurde. Man sieht den ganzen Unrat vor sich und verfällt nur in den Kitsch. Oder, aus meinem Gedächtnis, nach dem eingangs erwähnten Kundera: Es gibt zwei Arten von Tränen; die erste ist quasi harmlos, erst die zweite Träne drückt den Kitsch in seiner Gesamtheit aus und macht ihn zum Kitsch. 

Heute Morgen zählte ich keine Tränen, vergoss auch keine. Ich zählte im Trümmerfeld Baumringe, die mir sagten, dass hier mindestens 50 Jahre in wenigen Minuten zerstört wurden. Mein Blick aus dem Fenster geht gen Norden, und wenn ich jetzt weine, dann fängt diese erste Träne an zu laufen, die mich wehmütig taumeln lässt. Ich muss aufpassen nicht in der eigenen Vereinigung der Scheiße zu vergehen.

      
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