Während der Hundstage denke ich ja ab und zu an eine Äußerung von Karl (Otto) Lagerfeld, welche er einst so zum Besten herausgehauen hatte:
›Gucken Sie sich mal die Straßen bei Hitzewelle an, man hat das Gefühl so wie die da rumlaufen, man wäre in deren Wohnung, man würde nicht wagen ohne zu Klopfen ins Badezimmer zu gehen, wo die so angezogen sind.‹*
Dieses Jahr musste ich früher daran denken, als es mir lieb und angenehm war. Bis der Hundsstern (Sirius) für uns in Europa sichtbar wird, vergehen noch ein paar Tage [= im Augenblick der Niedersprache (20. auf 21.07.2023)]. Die Tage davor waren aber offenbar heiß genug für eine große Anzahl an Menschen, um der zitierten Aussage von K(O)L wohlwollend nachzukommen und gerecht zu werden. So auch, wie schon erwähnt, ›meine Dutt-Dame‹. An ihre unpassende Klamotte werde ich vermutlich wohl noch weit über den Hundstagen hinaus denken und reflektieren. Daran ist jetzt nichts Schlimmes zu finden, denn sie machte ja trotz ihrer stämmigen Figur eine gute Figur (...). Warum es trotzdem für mich in einer ›gedanklichen Katastrophe‹ münzte, werde ich jetzt zu erläutern haben – und ich will mich dabei, wie versprochen, gleichfalls darin üben, (mich) kürzer zu fassen als es für mich üblicherweise üblich erscheint (sic!).
So im Nachhinein – und nicht unmittelbar nach dem ›Akt des Vorbeiwatschelns‹ – dachte ich mir ja das folgende Szenario aus, welches sich womöglich in Ansätzen exakt so zugetragen haben könnte:
Das Fräulein Dutt – ich nenne sie jetzt nachfolgend ›Fräulein Dutt‹ – kam in ihrem Zuhause an, wahrscheinlich durch die Hitze ordentlich durchgeschwitzt, und entschied sich ergo sogleich ihr Bad aufzusuchen, um sich eine kalte Dusche zu gönnen. An dieser Stelle habe ich kurz ein Eigenzitat von mir aus dem zweiten Akt einzuschieben:
›Die strenge Dame mit dem Dutt trägt immer Dutt, es sei denn, sie wäscht sich die Haare oder kämmt sie.‹
Ich vermute, das Fräulein Dutt hat sich nicht nur geduscht, sondern sie hat sich auch ihre Haare gewaschen. Sicher bin ich mir dagegen dabei, dass sie sich danach (oder wenig später) etwas anderes angezogen hatte und anderweitig ›auffrischte‹, sprich: sich zurechtmachte. Wofür, das weiß ich nicht, und ich will auch nicht spekulieren – Stichwort: Kurzfassung [+ es fällt mir auch schwer]! Die ungefähre Auswahl der neuen Klamotten kann ich allerdings aus meiner Erinnerung noch halbwegs gut wiedergeben: Fräulein Dutt trug eine braune Tunika am Oberkörper, eine schwarze Stoffhose an den Beinen und die halbhohen Schuhe, die ihre Füße umschlossen, waren auch schwarz; ich glaube sogar, es waren die gleichen Stiefeletten. Im Großen und Ganzen muss ich an dem (Erzähl-)Punkt zugestehen, dass dieses gewählte Outfit gesamtheitlich sehr gut zu einem Dutt passen würde. Das entscheidende Wort hierbei ist: ›würde‹! Aber bevor ich dazu komme, habe ich noch eine andere Sache zu erwähnen, einen Aspekt, der mich das gute Fräulein geradezu prompt vergessen ließ, zumindest ihre für mich zugetragene ›zweite Manifestation‹ vor meinen Augenpaaren. Ich muss für die nachfolgende Schilderung kurz durchschnaufen, heißt: vorher mal richtig kräftig durchatmen und mich sammeln.
Ohne Aufheben sage ich es nun: Sie lief nicht per pedes an meinem Zuhause vorbei, sondern sie fuhr. Und nein, Fräulein Dutt radelte nicht, sie benutzte auch kein motorisiertes Zweirad und ein Automobil schließt sich eh aus, weil ich sonst ja nicht wissen könnte, was sie unterhalb ihres Thoraxes trug. Um ganz ehrlich zu sein, hätte ich auch nur das Fahrrad verschmerzen können. Die lauten Geräusche von Motorrädern (o. ä.) hasse ich nämlich wie die Pest, um mal ein wenig Lautmalerisches hier Einzug nehmen zu lassen. Und damit – der anberaumten Kurzfassung sei Dank beschert – löse ich auf: Sie fuhr mit einem sogenannten E-Scooter von oben nach unten. Ja, genau! Mit einem E-Scooter! Genau so ein Ding, das für mich nicht mal die Berechtigung einer Existenz im urbanen, groß-städtischen Bereich hat. Hierzu muss ich verlauten, dass meine heimische Marktgemeinde lediglich ein paar Kilometer von der nächsten Provinzstadt entfernt ist und diese absonderlichen Beförderungsmittel schon seit geraumer Zeit ihren Weg hierher gefunden hatten. Zu einer weiteren Äußerung dazu werde ich mich – und dieses Mal gilt wirklich mein ergebenster Dank der Kurzfassung – nicht hinreißen lassen ..., obwohl – ein Vergleich schadet nicht: E-Scooter sind so lächerlich wie Männer, die Dutts tragen.
Apropos Dutts. Wir lösen das oben erwähnte ›würde‹ (jetzt und sofort) auf. Das Fräulein Dutt ist wie ein kleiner Wechselbalg – ein Formwandler –, der noch nicht verstanden hat, wie man das menschliche Haar passend imitiert. Trug sie zu ihrer ungenierten ›Freizeitklamotte‹ Dutt, so genoss sie mit ihrem adrett-wirkendem Modestil am Leibe, der ihre Rundungen im Übrigen gut kaschierte, urplötzlich das Gefühl des Fahrtwindes, auch oberhalb ihres Scheitels. Mit anderen Worten: Das Fräulein Dutt wurde zu einer Frau mit dem seltsamen Nachnamen ›Ich-trage-mein-Haar-offen‹. Für eine letzte Vermutung behaupte ich, dass sie wohl recht damit gehabt haben wird. Ihr Haar war schön gelockt und der Wind hatte im Zusammenspiel seinen ergiebigen Spaß. Und ich hoffe doch insgeheim, sie hat ihren damit oder dabei – or whatever – ebenso.
Meine, teils langatmigen Geschichten – selbstredend eingeschlossen dieser hier – enden nicht selten überraschend abrupt. Dieses Mal trifft mich lediglich eine ›halbe Schuld‹; und der Hauptanklagepunkt lautet: Er hat sich zu kurz gefasst. Ich bekenne mich auch (despektierlich, sic!) für schuldig, dies jedoch unter (lautem) Vorbehalt!
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* Karl Lagerfeld in einem Interview mit Kurt-Gero von Boehm-Benzig. Deutschland, deine Künstler, ARD (Erstausstrahlung vom 2. November 2014). Online-Quelle – YouTube: https://youtu.be/DO-TavPyiAQ?t=754 (Zeitindex 12' 34''–12' 44'').