(-;-) GzN

(-;-) aufgenommen via Integrated Circuit Recorder & zeitverzögert vertextet

Lux lebt - Teil 5

Jeden Abend, oder vielmehr jede Nacht, schaue ich aus meinem Fenster im ersten Geschoss hinunter zur Straße die gen Norden ins Nirgendwo führt, betrachtet man es getreu der wegweisenden himmlischen Richtungen und bezieht es lediglich auf die vierrädigen Kraftfahrzeuge, welche Energie sie auch immer antreibt. Würden jene Karossen von einem emulierenden Kompass eines Wischkäsdlas* mit Magnetsensoren - zeigend auf den sogenannten geographischen Nordpol - geleitet werden, wäre die "Endstation Baum" eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höchst anzumutende Folge (sic!), eine Endfolge sozusagen. Mit einfacheren, erklärenderen Worten: Mit dem "Nirgendwo im Norden" meinte ich einen Wald (namentlich: Zückshuter Forst) - die natürliche Barriere eines sich der Ordnung gemäß verhaltenden Verkehrsteilnehmers ohne legitimierte Zufahrtsberechtigung.

Der Blick auf die besagte Straße ist mir mit dem, mir gegebenen, menschlichen Augen nur deswegen in der Finsternis - in der Abwesenheit der Helligkeit - möglich, weil es strahlende Laternen gibt, die sie in ein künstliches Licht tauchen. Manchmal versuche ich mich der Vorstellung auszuliefern, so ich am Fenster stehe, wie es sich annehmen würde, wenn die menschlichen Leuchtobjekte nicht existieren oder zumindest für eine Weile zum Erlischen [gemeint: Erlöschen] gebracht werden würden. Beim reinen Denken daran bin ich [mir] meiner durchaus bewusst, dass es sich hierbei um eine "Wenn-dann"- beziehungsweise "Was-wäre-wenn"-Frage handelt, solche ich eher meide, da sie für die Augen hinter der Brille der Realität selten zielführend sind. Auf der anderen Seite schaue ich oft ohne Seehilfe aus dem Fenster und der Straße entlang gen Norden, bis zu einem bestimmten Punkt, an dem mir meine Kurzsichtigkeit einen Strich durch die Rechnung macht zieht. Vielleicht bin ich auch ein klein wenig nachtblind, und vielleicht gerade deswegen endet alles für mich viel früher im lautmalerischen Nirgendwo, das manche - dem buddhistischen Spiritismus angediegene - auch als (das) Nirwana bezeichnen, was natürlich unverkennbar und greifbar falsch wäre.
Wie auch immer, das - die kurze Sicht - hat durchaus seine Vorteile. Niemals käme ich auf den Gedanken mich mit oder in einem Fahrzeug soweit blindgesteuert richtungsweisend hinauf zum Norden zu bewegen, und womöglich noch rasanter als ich sprinten könnte. Nie wäre ich der Gefahr ausgesetzt den eigenen Leib und letztendlich das Leben aufzugeben, weil ein, über die Jahre stabil-gewachsener Baum das Ende der Irrfahrt - ohne Wenn und Aber - darstellen würde. Zumindest gibt es einen wehmütigen Hoffnungstropfen, speziell für Insassen, die das gedachte Szenario wohl nicht überleben sollten. In diesem wirtschaftlich-angehauchten Waldstück bestehen nämlich keinerlei Fährnisse vor großen Prädatoren. Ein ebenda beendetes Leben kann ohne die Einmischung von Menschen mit etwas Glück vor sich und allem stillschweigend verwesen; ohne Glück aber sicherlich nicht vollständig. Es gibt zweifelsohne mindestens einen Aasfresser, der sich liebend gerne an die inneren Organe heranmacht: der Fuchs. Und weil er ungestört vorgehen kann - es gibt dort keine Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder gewisse Raubvögelarten -, wird er einen Teil der Nahrung in den Wintermonaten womöglich auch fachgerecht konservieren; wahrscheinlich genügt ihm hierzulande eine kleine Eisschicht dicht über Bodennähe - mehr Strategie benötigt es mitunter nicht in Gebieten wie diesen, wo er keine ernstzunehmenden Gegenspieler im noch vorhandenen Tierreich hat. Nun ja, vielleicht doch. Ein schlauer Fuchs uriniert bezeichnenderweise über sein Versteck, damit selbst der jüngste und frechste Marder nicht auf falsche Gedanken käme. So einen natürlichen Kühlschrank hatte ich übrigens vor vielen Jahren bei einem Ausflug mit meinen damaligen Hunden am Rande eben jenes Walds selbst entdecken dürfen. Dennoch würde ich meinen Worten an dieser Stelle nicht unbedingt trauen, denn so gut wie all meine Kenntnisse über Prädatoren habe ich von Andreas Kieling. So weiß ich zum Beispiel, dass der größte Beutegreifer in Madagaskar die Fossa-Katze ist.** Ihr mythisch-märchenhaftes Aussehen versprüht für mich einen Hauch vollends-welpenhafter Züge, obgleich man die Vorstellung recht rasch verlieren dürfte, wenn man bemerkt, dass Fossas selbst ohne den extrem langgezogenen Schwanz ziemlich gestreckt wirken, von ihren Geräuschen, die sie abgeben, ganz zu schweigen. Die grundlegende Information ist in jedem Fall korrekt, ohne sie großartig nachgeprüft zu haben. Ich vertraue dem Fachwissen des Naturfilmers seit je her und über alle Grenzen hinaus.   

Warum ich mich so ausgiebig dem in nördlicher Nähe liegenden Wald widme, heute, hat wohl alles mit der Schau aus dem Fenster zu tun. Der weidmännische Jäger sucht vergebens nach dem Räuber namens Luchs, wäre er so infam und würde danach Ausschau halten. Der gedanklich wildernde Zeitgenosse am Fenster dagegen richtet seinen Blick reumütig nach vorne, um dem nach Hause geschickten Lux hinterher zu sinnen. Ja, der Lux, er lebt, aber er ist momentan abtrünnig geworden, zwangsgebunden. Sein Herkunftsort liegt weit im Norden und doch ziemlich in der Mitte des föderalen Deutschlands, und ausschließlich da findet er das, was ihm fehlt, um gestärkt abermals in das neue und traute Heim zurückzukehren. Meine Gedanken waren just in der Nacht bei ihm, und T'Sally wird mir dahingehend zustimmen, denn wir vermissen ihn jetzt schon und können seine Wiederkehr kaum erwarten. Sein Platz wird freigehalten [- und die Erzählung wird möglicherweise für ein paar Wochen ausgesetzt -], was unserer Inklination geschuldet ist. 

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* Vieles über Wischkäsdla erfährt man ggf. dort: https://nachadla.de/2017/07/wischer-oder-drucker.html.
** Kieling, Andreas. Das Fabelwesen Fossa-Katze. Kleine Waldschule, Teil 259: https://fb.watch/b7RGMbgij9/.
      
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