Den Zusammenhang zwischen Hexen und meinem Verschwörungs-Sandwich-Dingens hatte ich vergessen aufzuklären. Ich habe da mehrere Theorien, die plausibelste ginge so: Die mythologischen Figuren [Hexen] sind meistens als ältere Frauen skizziert und haben ein bevorzugtes Transportmittel. Da der Ritt auf einem Besen für einen Mann auf Dauer schmerzhaft unangenehm werden könnte, wurde in der Neuzeit mein Sandwich erfunden. Bis dahin lebte die Abstraktion eines symbolisch dargestellten männlichen Geschlechtsorgans beziehungsweise die bildliche Anschauung einer auf einem solchen (Mann) reitende Frau, eine im Übrigen für den Kirchenstaat damals perverse und wohl verpönte Stellung. Der Besen als Dildo-Ersatz formte einen gedanklich-abenteuerlichen Freiraum in einer geprägten häuslich-patriarchischen Hegemonie.
Die einfachere Erklärung ist bildlich (und kann durchaus im Zusammenhang mit der "plausiblen Theorie" gesehen werden): Eine Hexe reitet auf dem Bösen. Der Besen diente lediglich als Umgestalltungs-Morphogen; anschaulich-vulgär könnte man von einem Neusprech der Altzeit reden.
Ich kläre das Sandwich jetzt auf. Ich bediene mich dazu der Sandwich-Methode. Ich schnüre meinen Erzählstrang ein. Zwischen zwei dünnen Scheiben quetsche ich einen matschigen Brei, den niemand ohne Brot herunterwürgen würde. Damit sich jeder darauf einstellen kann, vorweg ein apokalyptisches Beispiel für so ein Vorgehen: "Die Erde ist schön. /// Die Erde stirbt, wegen uns, und wir können so gut wie nichts dagegen tun, aber vieles dafür [...]. /// Ich liebe die Erde." Anders ausgedrückt: "Allegorisches Gesäusel /// Dystopische Hysterie /// Illusorische Affektion". Weil sich das so heruntergebrochen sicherlich furchtbar schrecklich anliest, wollte ich das vorher mal klar herausstellen. Für mich wird es ebenso unangenehm werden, wenn ich sogleich davon erzähle. Ich werde mich daher kurz fassen, und die Teile wie folgt gliedern:
"Bun-Deckel /// Patty-Pampe /// Bun-Boden".
Bun-Deckel
1997 war ein tolles Jahr. Auf dem besten Weg zum Studium brach ich mein Abitur ab, aus vielerlei Gründen, mehr oder weniger aber äußerst unbedacht. Fragt man mich heute danach, erzähle ich zumeist die halbe Wahrheit, die fadenscheinige Beweggründe anführt, wie dass ich Geld verdienen wollte, um mir einen ähnlich ausschweifenden Lebensluxus gönnen zu können wie einige Gleichaltrige aus meinem damaligen Freundeskreis. So ein Dünnschiss geht konform mit der gut nachvollziehbaren rebellischen Ader der Jugend, die sich konträr des Blutkreislaufes verhält und damit weder Herz noch Hirn erreicht. Der Saft des Lebens pulsiert den spät-adoleszenten Leib eines Jünglings und übernimmt über sein Tun und Lassen Herrschaft. 1997 war ein tolles Jahr, ich begann eine kaufmännische Ausbildung in der Metallbranche und verdiente richtig ordentlich Zaster.
Patty-Pampe
Ziemlich zum Ende des Jahres hallten unscheinbare Wortfetzen bei einem Besuch im Büro des Wareneingangs direkt in mein sekundäres Kiefergelenk. Ich hörte eine Mittfünfzigerin lallen: "Heute habe ich mein Baby bestellt". Ohne mich in das Gespräch mit ihrem Arbeitskollegen zu involvieren, verließ ich mit rollenden Augen und leicht verstört den Kabuff, der mir lediglich als Abkürzung diente, um möglichst schnell zu meinem eigentlichen Ziel zu gelangen. Glücklicherweise, so dachte ich mir, steht diese Abteilung nicht auf der Agenda meines Durchlaufplans. Und außerdem: es war Mittagspause, was kümmerte mich also deren Geschwätz. Unlängst steuerte ein Cocktail aus Oxytocin und Vasopressin meine Verhaltensmuster. Der Grund war naheliegend und stand sogleich vor mir. Die überaus ansehnliche Azubine, mit rot-gekräuselten Schopf und süßen Sommersprossen auf ihren ausgeprägten Wangenknochen, hatte es mir angetan. Ihr manifestiertes Gesamtpaket war für mich wie eine Rot-Reinkarnation einer Marlene Dietrich. Da waren aber nicht nur die körperlichen Attribute, die mich an ihr faszinierten. Sie zog mich an, weil sie Flair hatte. Neben ihrer Bodenständigkeit besaß sie vor allem zwei Pakete, welche meinem damaligen Sein fehlten: Realismus gepaart mit pragmatischen Praktizismus. In solchen Dingen war sie mir weit voraus. Folglich gab sie stets den Ton an und ich spielte die Musik dazu. Um mich nicht tiefer ins Schwelgen einer verflossenen Liaison zu verhaspeln, komme ich schnell zum Punkt. Sie wusste genau, um was es bei der Baby-Bestellung ging. Als sie es mir offenbarte, war mir klar, dass die Tippse im Wareneingang Mut zur Unvollkommenheit hatte. Komfort, Schönheit, Design und Leistung zählten für sie weniger; sie zog eine langfristige Bindung vor. Ihr Partner sollte ein avantgardistisches und puristisch anmutendes Vehikel werden. Der Elch mit applikativen Stern an der Kühlerhaube, der Premium-Wackler in fahrdynamischen Kinderschuhen. Ich war damals so weltfremd wie heute, aber dennoch nicht ganz aus der Spur. Ich verstand die direkte Botschaft, verharrte kurz mit offenen Mund in Sprachlosigkeit, blieb hernach standfest und hinterfragte zur Sicherheit nochmals ihre Aussage, was (dann) ungefähr so ging: "Willst du mich auf den Rücken legen?" Ihre Antwort kam prompt: "Nichts lieber als das, es heißt aber 'auf den Arm' nehmen".
1997 wurde ein tolles Jahr, vor allem weil die Dame (vom Wareneingang) ihren "Purzel" erst im Frühling des nächsten Jahres bekommen sollte. Der notwendige Produktionsstopp verzögerte die Auslieferung des runderneuerten Models mit der Klassifizierung "A 140". Fahrzeugen wie diesem (sic!) ist es heute zu verdanken, dass es Autos mit elektronisch gesteuerten Assistenzprogrammen gibt, die auch dort Stabilität bringen, wo man ansonsten keine vermuten würde. Hätte ich damals schon gewusst, dass siebzehn Jahre später ESP-Regelsysteme für Neuwagen verpflichtend werden würden, so wäre mein Wunsch nach einem früheren Erscheinen einer Elch-Klasse durchaus denkbar gewesen.
Am Ende bleibt mir die Spucke weg und lediglich das "Spoilern" über. Ich habe da noch etwas mit mir aufzuarbeiten und ohnehin bin ich die Beschreibung des traumatischen Erlebnisses sowie deren Nachwirkungen schuldig. Bis dahin verweile ich gedankenverflossen, ehe ich die Nachtruhe starte. Die rote Lola schaue ich morgen an.
Bun-Boden
Am Ende bleibt mir die Spucke weg und lediglich das "Spoilern" über. Ich habe da noch etwas mit mir aufzuarbeiten und ohnehin bin ich die Beschreibung des traumatischen Erlebnisses sowie deren Nachwirkungen schuldig. Bis dahin verweile ich gedankenverflossen, ehe ich die Nachtruhe starte. Die rote Lola schaue ich morgen an.
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