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Verschw., pers. - #2: Der Elch, T1
Sandwiches, Mehrzahl. Gesprochen wird die Einzahl des aus dem Englischen entstammenden Begriffs: sæn(d)wɪd͡ʒ. Geschrieben-gesprochen: sent·witsch. Gemeint ist mit diesem Wortmorphem nicht das bereits geschehene Entsenden von Hexen oder Sandhexen, trotzdem gibt es da Zusammenhänge. Wer Sandwiches hört, denkt zuerst wohl an belegte Brötchen, Stullen oder gar dem Vesperlaib, üppig Belag und allerlei anderem Zeugs dazu/darauf/darin, versteht sich. Wenn ich Sandwiches höre, denke ich an meine größte, persönliche Verschwörung, stets in Hoffnung, so ein Teil tunlichst nicht in Sichtweite zu bekommen.

Mein Sandwich verhält sich wie das klassische Marmeladenbrot. Gleitet es aus dem Grifffang des Essers verselbstständigt es sich. Im schlimmsten Sinne nutzt es die Schwerkraft, um sein weiteres, klägliches Dasein auf dem Boden der Tatsachen zu bestreiten, bedenkt aber dabei nicht, dass es sich in der kurzen, aber rasanten Sturzphase so ungeschickt drehen wird, dass es mit der vermeintlich falschen Seite (im Auge des Betrachters/Verzehrers) aufschlagen wird. Das passiert natürlich nicht immer, es ist physikalisch abhängig von der Höhe des Tisches oder vielmehr der Höhe des Halters. Ein bereits stehendes Kleinkind kann sich daher oftmals glücklich schätzen, wenn es den körperlichen Staturen im Hinblick auf die Größe nicht entspricht und entsprechend klein ausfällt. Gleiches gilt für hochgewachsene, adulte Menschen, die entweder weit über zwei Meter messen oder ihr Brot stets auf Stirnhöhe halten. Im "kleinen" wie im "großen" Fall passiert am Ende eines solchen Missgeschicks häufig das für unmöglich gehaltene Wunder. Das Marmeladenbrot schafft entweder keine Drehung oder gleich mehrere, so dass es am Ende mit dem Aufstrich nach oben (und da) unten landet. Wer es nicht glauben will, der übe sich in Selbstversuche oder finde passende Probanden für seine Testreihen. Mein persönliches Verschwörungs-Sandwich jedenfalls fliegt immer auf die falsche Seite, zumindest tat es solches und würde dafür berühmt, ja, weltweit sogar. Seitdem soll es das nicht mehr tun, und ich glaube sogar daran. Das nimmt mir aber nicht den sprichwörtlichen Angstschweiß von der Stirn. Ja, wenn es nur das wäre, also die Suppe in Form von dicken Aussonderungstropfen auf dem Vorderhaupt. Damit fängt es nur an. Der Nacken folgt, und danach geht es richtig los mit der Transpiration. Die Brühe läuft, ungehindert, ich habe keine Zeit für Wegwischaktionen. Das Objekt meiner Aversion zieht meinen Fokus auf sich, verlangt volle geistige Konzentration. Mein ganzer Körper giert danach, vor allem mein Gehirn stößt Adrenalin dermaßen extrem aus, dass ich gegen Affekte ankämpfen muss. Wegrennen oder Ausrasten - solcherlei Sachen habe ich zu verdrängen. Meistens gelingt es mir, mehr oder weniger. Leider gibt es da nur zwei Lösungen, denen ich zu folgen getraue, einfach daher, weil ich sie für mich als brauchbar und praktikabel einstufte; sie wären: Konfrontation oder Rückzug. Selbstverständlich weiß ich, dadurch lerne ich nichts, allerdings strebt mir auch nicht danach. Meine felsenfeste Überzeugung zum Sandwich steht und fällt nicht mehr. Ob man es als engstirnig oder nachtragend bezeichnen will, das ist mir einerlei. Und obgleich ich mir durchaus bewusst bin, dass mein Bild nicht klar gezeichnet ist, so werde ich für alle Zeiten Abstand davon nehmen nur einen einzigen Federstrich zu ziehen, um Nuancen hervorzuheben oder Details hinfort zu streichen. Mein Gemälde ist so geschützt wie da Vincis Mona Lisa im Musée du Louvre. 

Dieser Elch ist an mir vorbeigegangen wie der Kelch an Jesus: "Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst"*. Frei nach dem Motto den Glauben niemals zu verlieren, vor allem wenn man ihn nicht erkennen kann, fuhr ich bisweilen recht entspannt, Ähnlich wie beim Marmeladenbrot liegt auch da keine Wunderwirkung vor. Eine Wirkung schon, aber ganz fern und frei von jeglichem Zauberwerk. Selbst das Sandwich an sich ist nicht verhext. Es ist ein Meisterwerk kompakter Baukunst, leider trifft es nicht jedermanns ästhetischen Geschmacksvorstellungen in vollkommener oder auch nur annähernder Weise. Der eine liebt eben Erdbeermarmelade, einen anderen Gaumen lechzt es eher nach Aprikose. An der Farbe wird es nicht scheitern, es sei denn es liegt eine Dysgeusie vor. Ohne gustatorisches Empfinden sind Reize dieser Art unmöglich, womit es dann wohl doch der Wahrnehmung zum Opfer fallen würde. Wer mich da in Bezug auf mein Sandwich fragt, bekommt eine klare Antwort: Grau darf es bitte nicht sein. Andererseits ist der Farbton mein geringstes Problem. Ein solches Grau in Grau ist nicht vorherrschend, und dennoch omnipräsent in meinen dunkelsten Albträumen. Ja, mein Sandwich-Dämon ist so grau wie die Beine von europäischen Elchen, nur absolut nicht schattiert. Sein Grau ist in einem Guss, als ob es keine bunte Welt gäbe. Das Ding ist, lebendig wie tot, stets in einem Schleier gehüllt. Es offenbart seine dunkle Seite nur dann, wenn es kopfüber - auf der falschen verkehrten (imho) richtigen Seite - liegt. Und da dies in meinen Träumen stets passiert, endet jedes Oneirodynie-Erlebnis mit einer überaus erfreulichen Sinnlichkeit - für mich. Ein passiver und neutraler Betrachter würde es anders sehen, ein Psychologe sicherlich überschätzend überzeichnen. Und wenn ich so darüber nachsinne, so muss ich den logischen Schlussfolgerungen eines Seelenklempners durchweg zustimmen: Beim Elch-Sandwich kommen bei mir sadistische Züge zum Vorschein, und ich bestreite sie keinesfalls! Ich lebe sie aus! Da wäre ich glatt dem militanten Veganer gleich, der sich insgeheim daran erfreut, wenn dem Fleischfresser seine Leberwurststulle auf den besenreinen Boden eines Haustierbesitzers fällt. Und in dieser verbildlichten Fiktion ist noch mehr enthalten: Ich hoffte inständig auf eine Tierhaarallergie des Leberwurstliebhabers, und zwar eine vom Typ 2. In jenem Fall würde ich ihm sein Brot sogar aufheben. Ich würde ihn beschwören, dass da kaum was dran wäre und es man noch bedenkenlos essen könnte; vielleicht sogar unterlegt mit beschwichtigenden Worten wie "Hab dich nicht so". Fände er Anklang an meiner Empfehlung, käme er ihr nach, so säße ich dann schweigend daneben, genüsslich ihm beim Verspeisen zuschauend, schier ungeduldig in frommer Erwartung erste zytotoxische Reaktionen zu vernehmen. Mein Hintergedanke wäre zweifelsohne nicht sein Ableben. Niemals! Er hätte es zu überleben, denn mir schwante Großes mit ihm und seiner Gesinnung vor. Meine Absichten hätten edelste, nachhaltige Motive. Es gälte die Folgen eines solch einschneidenden Erlebnisses auszukosten: Der Leberwurstjunkie, in all seiner Pracht, bekäme hernach von mir eine Gehirnwäsche reinster Sorte. Nebst die abwegigsten Argumentationen wären mir dabei nicht zu schade, um sie ihn auf dem Silbertablett zu servieren. Bei aller Liebe, ich könnte mir keine besseren Voraussetzungen als diese vorstellen. Eine tadellose und weich anlautende Bekehrungspredigt in bester Manier - für so ein Tun wäre jede Tür und jedes Tor geöffnet. Das Amen der Lauschers wäre sein neuer und gar lebensbejahender Slogan, der da hieße: "Go vegan!"

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*  Quelle: Elberfelder Bibel. NT, Mt 26,39.
      
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