Der Goethe Portugals* schrieb in den 30er Jahren des letzten Jahrtausends einmal etwas von einer Herberge zur Vernunft. Sie läge auf halber Strecke zwischen dem Glauben und der Kritik. Mit der Vernunft an sich implizierte er, vielmehr sein Heteronym, den Glauben an ein Etwas, welches man ohne Glauben verstehen könne. Verstehen setzt allerdings voraus, dass da irgendetwas ist, dass man verstehen könne. Wer also unfähig ist dieses Etwas zu verstehen, wird nicht befähigt sein zu glauben, und wer keinen Glauben hat, der wird zur großen Zahl derer gezählt werden, die ihr Leben unvernünftig verdingten. Das Leben, so stand es in seinem posthum veröffentlichten Werk, sei ohnehin mit einer Herberge zu vergleichen; wie man das wahrnimmt, bleibt einem Jeden selbst überlassen. Die Blitze der Vernunft sind jedoch deutlich heller als die Finsternis des Lebens. Es ist vernünftiger die Emotionen dem Denken unterzuordnen, denn so wird das Leben fühlbarer.
Mit der Vernunft hat man allemal vernünftig umzugehen, zu stark wäre sonst der Drang Althergebrachtes zu Mystizismen verkommen zu lassen, Besagtes auf eine Art und Weise niederzureden, die jeder vernünftigen Betrachtungsweise widerspräche. Vor allem aber negiere man das Leben in all seinen Schmerzen, handele man nach jenem anti-apostolischem Glaubensbekenntnis, das die Vernunft missachte, ja, bildlich mit dem Füßen trete. Bernardo Soares war ein geistreicher Mann, ein Genius.
5059 Tage sind eine lange Zeitspanne; sie umfasst 13 Jahre, 10 Monate und 6 Tage. So alt ist heute meine Hündin. Es liegen ergo deutlich mehr Tage hinter ihr als vor ihr. Daher werde ich sprechen, nicht davon unbedingt - also von ihr, ihrem absehbar scheidenden Leben oder dergleichen -, aber hoffentlich für ein paar Minütchen vor jeder Nachtruhe, egal von oder über was auch immer, wie lange oder eher wie kurz. Heute war ich außerordentlich getrieben vom Buch der Unruhe. Doch nun werde ich schlafen, denn der Schlaf ist überhaupt das Wichtigste. Wer schläft, wird träumen - und mit einem Traum trägt man seinem Leben etwas hinzu, dass man durchaus als vernünftig und belebend bezeichnen darf. Ein Traum ist dieses Etwas, dem man, ohne es zu verstehen, Glauben schenken kann. Das Erinnern an das Geträumte, das Nachsinnen der subtilen Botschaften, ist der Zwischenraum an dem sich Glaube und Kritik begegnen. Beide Elemente sind sich - in aller Deutlichkeit gesprochen - nicht etwa einander zugeneigt, beinahe das Gegenteil ist der Fall. Die Kritik agiert emotional, und der Glaube ist vom Denken beflügelt; obsiegt der Glaube, so ist er Weg zur Herberge der Vernunft geebnet.
Nachsatz: Eigentlich sind das Dinge, über die mein Heteronym schreiben sollte.
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* Fernando Pessoa, frei wiedergegeben aus "Das Buch der Unruhe".
* Fernando Pessoa, frei wiedergegeben aus "Das Buch der Unruhe".
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