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Verschw., pers. - #1: Der Ernährer, T1
Diese Gedanken entstammen dem Sonntag und vollendeten sich in den ersten Minuten des Montags. Selbstverständlich nicht jüdisch betrachtet, denn da fängt der Tag bekanntlich mit dem Sonnenuntergang* an, was ich persönlich sehr schätze, nicht unbedingt aus rein talmudischen Begründungen, sondern wegen der grundlegenden Sache (- ich will es nicht Philosophie nennen, das wäre eher nicht kränkend, als denn was es ist: pejorativ**). Zur Verständnis, für die vielen ohne Grundstudium in der Judaistik, soll der nächste Abschnitt dienen.

Ich will es einfach halten. Sechshundertdreizehn Mizwot stehen in der Halacha. Übersetzt heißt das: Sechshundertdreizehn Gesetze - Gebote und Verbote - stehen im rechtlich-religiös-gesetzlichen Teil des Talmuds, der Halacha. (Im Übrigen gibt es auch nur zwei Teile, der andere nennt sich Aggada*.) Sie ist auch die ethische Grundlage, nach der Juden leben sollten, um Gott zu gefallen beziehungsweise um seinen Erwartungen zu entsprechen. Da sie als göttlicher Ursprung angesehen wird, wirkt sie wie ein Justizium mit Tradition, das gerade in den exilischen Zeiten dem Volk Gottes die Zuversicht bot.***
Kurz wollte ich es halten - kurz! -, also, nun denn! Stelle dir vor, eine Stunde hätte nicht sechzig Minuten, sondern es wäre ein Zwölftel der Zeit zwischen Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, oder eben ein Zwölftel der Nacht. Wenn eine Stunde keine sechzig Minuten hat, sondern ihre Summe proportional zur gesamten Tageslichtzeit verrechnet wird, erscheint folglich nicht jeder Tag im neuen und eigenen Schein? Und wenn dann auch noch diese Stunde an sich nichts zählt, wie lange oder kurz sie auch immer ist, sondern in einem Drei-Stunden-Zyklus der Tag geviertelt aufgeteilt wird... dann sind wir mitten in der "Philosophie" der halachisch-vorgeschriebenen Aufteilung der Hellphasen und wie man sie zu verbringen beziehungsweise zu gestalten hat. Grundlegend ist diese Herangehensweise nur zu befürworten. Ich will es anhand eines Beispiels kurz positiv-lebendiger gestalten. Wenn ein Jude zum Beispiel einen Hund hat - ja, es ist erlaubt, sofern man ihn versorgen kann -, so hat er zuerst das Tier zu füttern (erstes Viertel), bevor er selbst Nahrung zu sich nimmt. Würde ich tiefer gehen, könnte ich erwähnen, dass ein jüdischer Rüde nicht kastriert werden darf, ebenso wie das Kupieren von Ohren und Schwanz untersagt wird. Selbstverständlich ist das Halten von Hunden, die in der Thora ja nicht gerade hochgelobt werden, für halachisch lebende Juden nicht einfach, aber auf der anderen Seite ist das Leben mit Tieren im Allgemeinen, bildlich gesprochen, ja auch kein Zuckerschlecken. Darum ging es mir auch nicht. Meine Intention all das zu erwähnen, galt nur der Hervorhebung, nämlich dieser, dass ich das komplizierte und komplexe System des Volkes Israel nicht nur für tolerierenswert halte, sondern dass ich ihm meinem absoluten Respekt zolle. 

Jetzt rede ich schon lange, und es ist mittlerweile Montag. Allmählich verdichten sich meine Hirnwindungen, um mich auf mein "montagmittagliches Ritual" während Arbeitsphasen mental-gedanklich vorzubereiten. Ich schäme mich fast es zu erwähnen, aber an jenen Montagmittagen handele ich - um im jüdischen Kontext zu bleiben - unrein meiner eigenen Lebensphilosophie. Diese verbietet mir tunlichst Einkäufe in großen Handelsketten für Lebensmittel zu tätigen. Supermärkte und Discounter haben vor ihren Eingängen ein unsichtbares Schild für mich und ähnlich Lebende aufgestellt, auf dem in riesigen Lettern steht, dass man lieber zweimal nachdenken sollte, ehe man den Weg in das Innere begeht. Groß und fett schreit mich die Hinweistafel an: "GEH NICHT REIN". Und darunter, etwas kleiner: "Geh zu den eigenständigen Nahversorgern". Jeden Montag ignoriere ich geflissentlich diese offenkundige Warnung, als wäre ich auf dem linken Auge blind, denn - und jetzt dürfte ich mich tatsächlich schämen -, und kurzum: ich bin faul. So lauffaul, dass ich lieber dem Weg der Lemminge in die Verkaufshalle folge, der Aversion gegen Menschenansammlungen zum Trotze, anstelle eine ähnliche Strecke zurückzulegen, die mir mit großer Sicherheit schon alleine des Weges wegen, dem anderen, mehr Qualität bringen dürfte.
Das semantische Wortmorphem "Lebensmittel" verbirgt seine euphemistische Tendenz äußerst schwach. Ist ein Mittel für das Leben nötig - als ob das Leben nicht alleine bestehen könnte -, kann durchaus philosophisch geschlussfolgert werden, dass es sich hier um ein unausweichliches Ding handelt, ohne dem Leben für das breite Spektrum der normativ-gesetzten Masse nicht möglich wäre. Aus diesen Ansätzen formte sich in mir die Deduktion, in Offenlegung der Umstände, mittels eines umschreibenden Wortes, das trefflicher nicht sein könnte. Wohl aus heuristischen Eifer wählte ich, am Ende meiner Adoleszenz, jenen Wortfladen, der heute als Überschrift herhalten durfte: "Ernährer". Die große, mir persönlich zugeneigte, Verschwörung hinter der Ansammlung jener Konglomerate, die von sich durchaus wahrheitsgetreu verlauten dürfen, Ernährer - einer dependenten Industriemenschheitsklasse mit einem affinen Hang zur Technik - zu sein, verrate ich zu späterer Zeit. Heute ist Montag. Heute ist Ernährer-Tag. In knapp zwölf Stunden, vielleicht etwas weniger. Verschwörungen denke ich lediglich am Dienstag. Und weil ich da meist keine Zeit und/oder Muse habe sie aufzuschreiben, spreche ich sie in mein Diktiergerät, und ja, zu gleicher Stunde wie an Montagen.  

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* Grundsätzlich nach Halacha: Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sternenaufgang.
** Ein philosophisches Podest bietet der nicht-gesetzliche Teil des Talmuds, die Aggada.
*** Das Proprium sollte m.E.n. nicht in der Beschneidung liegen, sondern in der Halacha.



      
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