Irgendwo und irgendwann hatte ich mal irgendeine Zahl gelesen, eine Prozentzahl, die mir unglaubwürdig erschien, weil sie so absurd hoch war. Ein bestimmter Freund war der Meinung, dass da was dran sein könnte, immerhin, so sagte er mir einst, glaubte er doch, dass die allermeisten von uns vom großen Dschingis Khan abstammen würden, heutzutage wohl eher nur noch sehr entfernt. Keine Frage, da musste ich ihm zustimmen, hatte der Begründer des Mongolenreichs nicht einzig und allein ein großes Territorium aufgebaut, sondern unterhielt er neben den zahlreichen Gemahlinnen gleichwohl eine überaus unüberschaubare Anzahl an Konkubinen. Zudem kann keiner seine Fruchtbarkeit bestreiten.
Trotzdem, ich halte es für verwegen, geradezu anti-wissenschaftlich, wenn man Epikanthus medialis mit einer Mongolenfalte gleichsetzt. Zwischen einer sichelförmigen Hautfalte im inneren Augenwinkel und einer schräg verlaufenden Augenfalte am Augeninnenrand des oberen Lids bestehen sichtbare Unterschiede. Des Weiteren bleibt die Sichel bei geschlossenem Lid bestehen, hingegen die andere Variante verschwindet.
Wer Letzteres hat und kurz vor der Midlife-Crises steht, sollte steif und fest behaupten, dass er keine Krähenfüße hat, sondern Auswüchse, einer dem Leben geschuldeten Ausprägung einer Mongolenfalte sein eigen nennt. Leuten, die das kaschieren wollen, rate ich zu Brillen mit breiten Rändern.
Zurück zur Prozentzahl. Neugeborene hätten demnach überaus oft Epikanthus, was sich bis zum Kleinkindalter verwächst. Mein Sohn hatte eine Mongolenfalte. Die erste Person, die das feststellte, war seine Ur-Großmutter, eine Kinderärztin; G'tt hab sie selig. Ich weiß nicht, wie viele der Besucher es seinerzeit ebenso erkannten, zumindest weiß ich, dass sich niemand mir gegenüber dazu äußerte. Ich hätte damals auch keinen Anhaltspunkt gehabt, der mir helfen hätte können, um auf diesen Tatsachenbestand näher einzugehen. Mir fehlte noch die Gewissheit der Traumserie.
Nichts desto trotz erfüllte mich ich in der 3. Nacht tatsächlich mein erster "Mongolentraum", obgleich mir nicht bewusst war, dass er in der Mongolei spielte, genauer gesagt in der Bulgan Taiga. All das Wissen kam erst peu à peu über die Jahre, und dennoch könnte ich lyrisch behaupten, dass mich einst ein Säugling wachküsste. Der Vergleich ist natürlich genauso absurd wie die eingangs erwähnte und nicht näher angegebene Prozentzahl.
Heute zerfalten sich meine mongolischen Träume wie ein Augenlid. Die letzten Lider eines fremden Organismus die ich schloss, waren die meiner vor zehn Tagen verschiedenen Hündin; das linke schob ich am Ende nach unten. Davor sagte ich: "Schau mich nicht an", so als ob ich mein eigenes Selbst in diesem Moment nicht ertragen konnte. Und es war so, hat sich doch an jenen Zustand bislang nur unweigerlich etwas geändert.
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